Die Grafik zeigt die Umwelteinflüsse, denen Häuser heutzutage standhalten müssen.

Klimasicher bauen mit Türen und Toren

Anforderungen und Nachweismöglichkeiten für klimaresiliente Bauteile

Lesezeit: 5 Minuten

Die Zunahme von Klimaextremen ist bereits in vollem Gange. Ein Tornado in Kiel, die Flut im Ahrtal, Hitzewellen im Südwesten, Trockenheit, Dürre und Waldbrände im Osten, Hagel-schneisen und Schneechaos in Oberbayern – es ist beängstigend, wie häufig derartige Er-eignisse uns mittlerweile heimsuchen.

Die Grafik zeigt die Umwelteinflüsse, denen Häuser heutzutage standhalten müssen.
Bild 1: Die Zeiten für Gebäude und Bewohner werden „rauer“ (Quelle: ift Rosenheim)

Lokale Überschwemmungen und Hitzewellen sind dabei die größten Gefahren für Leib und Leben sowie für die Gebäude. Für Fenster, Türen und Tore werden die Anforderungen daher „extremer“ und die Konstruktionen müssen „robuster“ werden, um auch in Zukunft tauglich zu sein. Hierfür sind beispielsweise Materialien mit ausreichender Temperaturfestigkeit notwendig sowie geeignete Konstruktionen mit höherer Widerstandsfähigkeit gegen Starkregenereignisse mit Hochwasser, Hagel und Stürmen. Es gibt viele Stellschrauben, um die Bauteile und das Gebäude fit für den Klimawandel zu machen. Zur Unterstützung der Branche hat das ift Rosenheim hierfür das Zertifizierungssystem „klima.sicher.bauen“ entwickelt.

Zertifizierungssystem „klima.sicher.bauen“ – Was steckt dahinter?

Das Bewertungssystem „klima.sicher.bauen“ basiert auf drei Säulen (s. Bild 2) und enthält mehr als 100 einzelne Bewertungskriterien. Grundsätzlich wird zwischen Unternehmenskriterien und Produktkriterien unterschieden. Die Gewichtung Unternehmenskriterien zu Produktkriterien ist 30 zu 70. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt der Bewertung auf den Bauteilen Fenster, Türen und Tore liegt. Auch ist das Bewertungssystem so aufgebaut, dass es Raum für Entwicklung zulässt.

Zu sehen ist das Bewertungssystem "klima.sicher.bauen" mit den Kategorien "Nachhaltigkeit", "Klimawandel", "Klimaresilienz", "Klimawandel bremsen" und "Klimaanpassung".
Bild 2: Grundstruktur des Bewertungssystems „klima.sicher.bauen“
(Quelle: ift Rosenheim)
Die Tabelle listet die Bewertungskriterien von "klima.sicher.bauen" auf. Die Spalten sind beschriftet mit "Kriterien Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesundheit"
Tabelle 1: Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Bauprodukten gemäß Bewertungssystem „klima.sicher.bauen“ (Quelle: ift Rosenheim)

Um eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Klimaresilienz von Fenstern, Außentüren und Toren zu ermöglichen und innerhalb eines Unternehmens einen kontinuierlichen Prozess der Verbesserung der Nachhaltigkeit zu erzielen, hat das ift Rosenheim das Zertifizierungsprogramm QM 378 „klima.sicher.bauen“ [1] erarbeitet, in dem die Bewertungskriterien und der Zertifizierungsprozess festgelegt und definiert sind. Die Felder der Bewertung erfolgen wie in Tabelle 1 dargestellt.

Der Zertifizierungsprozess erfolgt nach diesem Ablauf:

  • Abschluss eines Zertifizierungs- und Überwachungsvertrags
  • Festlegung des Geltungsbereiches der Produktzertifizierung/des Zertifikats
  • Beurteilung der Prüfnachweise und ggf. Durchführung noch erforderlicher Typprüfung(en). Der Nachweis kann auch über einen ift-Produktpass/ift-Systempass, einen RAL-Eignungsnachweis nach RAL GZ 695 oder einen RAL-Systempass nach RAL GZ 716 geführt werden. Wichtig ist, dass die Mindestanforderungen an die Produkteigenschaften nach ift-Richtlinie FE-07/1 erfüllt werden
  • Erstbesuch
  • bei positiver Bewertung: Zertifizierung und Zertifikatserteilung

Nach erfolgter positiver Erstzertifizierung haben die Hersteller die Möglichkeit, das neu entwickelte Label „klima.sicher.bauen“ zu nutzen. Es ist als EU-Gewährleistungsmarke eingetragen und wird vom ift Rosenheim als unabhängige Stelle für Bauprodukte vergeben. Mit diesem Label werden Bauprodukte hinsichtlich der Nachhaltigkeit, des Energie- und Ressourcenverbrauchs sowie dessen Eigenschaften bezüglich der Verbesserung der Klimaresilienz von Gebäuden – also der Widerstandsfähigkeit gegen Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme – bewertet. Die Gewährleistungsmarke „klima.sicher.bauen“ ist ein europäisches Label mit unabhängiger Überwachung und unterstützt Planer, Architekten, Vergabestellen, Bauherren, Immobilienbesitzer, Mieter sowie Hersteller, Systemgeber und Verarbeiter von Bauprodukten beim Produktvergleich und bei der Kaufentscheidung für nachhaltige, klimafreundliche und klimaresiliente Bauprodukte. Sie bietet damit folgende Vorteile:

  • Höhere Glaubwürdigkeit und Akzeptanz als Werbeaussagen von Herstellern
  • Vermeidung von Haftungsrisiken und Strafen für falsche Aussagen (Greenwashing)
  • Vertriebsunterstützung für engagierte Hersteller
  • Leichte und schnelle Information über die unterschiedlichen Kriterien (Bsp. Stiftung Warentest)
  • Einfacher und objektiver Produktvergleich
  • Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen
  • Förderung der Produktenwicklung

Das Zeichen kann durch Hersteller von Bauprodukten (Baustoffe und Bauelemente) genutzt werden, die für die definierten Bewertungskriterien über die entsprechenden Nachweise verfügen. Die Bewertungsmethodik ist transparent und erfolgt objektiv auf Basis anerkannter Normen und Regelwerke (harmonisierte DIN-, EN- oder ISO-Normen, allgemein anerkannte Regeln der Technik und validierte Prüfverfahren des ift Rosenheim). Alle Eigenschaften/Kenndaten werden gewichtet und in einem „Klima-Score“ (A – E) verdichtet, um gerade für den Endverbraucher (Bauherrn) bei der Sanierung bestehender Gebäude einen einfachen Produktvergleich zu ermöglichen.

Das Label kann am Produkt angebracht werden und soll in Informations- und Verkaufs-unterlagen genutzt werden. Das Label „klima.sicher.bauen“ stellt dabei Anforderungen sowohl an das Produkt als auch an das Unternehmen, um eine möglichst nachhaltige Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette sicherzustellen bzw. zu fördern.

Zu sehen ist das Label "klima.sicher.bauen" mit Erklärungen und Bedeutungen der einzelnen Bestandteile des Siegels.
Bild 3: Das Label „klima.sicher.bauen“ enthält die wichtigsten Informationen zur Bewertung
der Nachhaltigkeit und Klimaresilienz von Bauprodukten. (Quelle: ift Rosenheim)
Zu sehen ist ein Screenshot der Website von "klima.sicher.bauen".
Bild 4: Auf der Website „www.klima-sicher-bauen.de“ werden die gekennzeichneten Bauprodukte inkl. der Detailinformationen gelistet und ermöglichen so eine einfache und verlässliche Produktauswahl (Quelle: ift Rosenheim)

Website www.klima-sicher-bauen.de

Auf der neu entwickelten Website www.klima-sicher-bauen.de finden sich objektive und leicht verständliche Informationen zum Bewertungssystem „klima.sicher.bauen“ sowie eine Auflistung der bewerteten und zertifizierten Bauprodukte. Funktion und Layout ähneln bekannten Websites bzw. Testberichten (Stiftung Warentest, Chip, Idealo etc.), mit denen Bauherren, Immobilienbesitzer und Planer gezielt nach Produkten und Produkteigenschaften suchen und selektieren können. Über einen Link zum Hersteller oder Händler ist ein direkter Kontakt bzw. eine Anfrage möglich. Mit einer Unterscheidung in einen Standard- und Expertenmodus wird dem unterschiedlichen Informationsbedarf von Endverbrauchern und Bauexperten Rechnung getragen.

Die Website umfasst dabei folgende Funktionen:

  • Abgestufte (von einfach zu detailliert) Informationen zur Bewertungsmethodik mit einer Beschreibung der relevanten Bewertungskriterien, des Scorings und der Themencluster (Klimaresilienz, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, CO2-Emissionen, Qualität und Gebrauchstauglichkeit, Recycling u.a.)
  • Produktsuche nach Gesamtbewertungszahl (Klima-Score)
  • Produktsuche nach Einzelkriterien und Themenclustern (Expertenmodus)
  • Produktsuche nach QR-Code, Hersteller, Produkt-ID und Region (PLZ)
  • Produktvergleich von bis zu fünf Produkten
  • Blacklist für zurückgezogene Label
  • Anfrage beim Hersteller/Anbieter (Händler) mit automatischer Übernahme der ausgewählten Informationen, Produkte und Filtereinstellungen
  • Speichern von Suchergebnissen und Suchabfragen für registrierte Nutzer
  • Upload von Produkt- und Herstellerinformationen für interessierte Hersteller zur Vorbewertung der Produkte in einem vereinfachten Kurzverfahren
  • Upload der vollständigen Produkt- und Unternehmensdaten für die Zertifizierung nach erfolgter Beauftragung der Hersteller

Die Website www.klima-sicher-bauen.de befindet sich derzeit im Aufbau.

Aktueller Stand und weitere Schritte

Die gefährlichen Folgen des Klimawandels lassen sich nur noch aufhalten, wenn wir jetzt eine schnelle und konsequente Minderung der Treibhausgas-Emissionen durch geeignete Maßnahmen erreichen. Die dafür notwendigen Technologien sind vorhanden. Fenster, Türen und Tore können hier einen wichtigen Beitrag leisten, um die erforderlichen Ziele zu erreichen. Mit dem Zertifizierungssystem „klima.sicher.bauen“ wird das ift Rosenheim die Brache in den nächsten Jahren auf diesem Weg begleiten. Aktuell wird das Zertifizierungssystem mit verschiedenen Pilotkunden auf die Praxistauglichkeit aufgrund der Komplexität der Thematik überprüft. Die Ergebnisse werden im Vortrag vorgestellt.

Literatur

  1. ift-Zertifizierungsprogramm QM 378 „klima.sicher.bauen“ ift Rosenheim, Rosenheim 11/2023

Christian Kehrer

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Christian Kehrer († 2024) war seit 1998 am ift Rosenheim tätig. Er leitete die ift-Zertifizierungsstelle und war Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim. Er war langjähriges Mitglied in nationalen und internationalen Ausschüssen der Normung, Technik und div. Verbänden. 

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